4 сакавіка 2021

"(Kein) Ausweg": Wie man aus dem Aktivismus aussteigt

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Der Aktivismus kann dir nicht alles auf einmal geben – Rückhalt, narzisstischen Trost, Erfüllung, Freude und so weiter. Bei einer solchen Co-Abhängigkeit empfiehlt es sich, stets auf der Hut zu sein: Hätte ich diese Beziehung nicht mehr, was bliebe dann übrig?
Изображение: Vika Biran
© Vika Biran
Es ist ein Jahr her, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, aus dem LGBT-Aktivismus auszusteigen. Erschöpfung, zu viele Enttäuschungen und Konkurrenzdruck. Zu wenig Feedback, Erfolgserlebnisse, Geld und Inspiration. Aber auf eine große Entscheidung bewege ich mich normalerweise in kleinen Schritten zu und prüfe mit jedem weiteren Schritt meine Entscheidung auf ihre Tauglichkeit hin. So kaufte ich mir einen wasserdichten Rucksack, bevor ich mich endgültig entschloss, einen teuren Laptop zu kaufen. Bevor ich eine Beziehung beendete, sicherte ich mir die Unterstützung einer Psychotherapeutin. Und bevor ich aus dem (LGBT-)Aktivismus endgültig ausstieg, führte ich mehrere Interviews mit ehemaligen LGBT-Aktivist*innen. Dadurch konnte ich herausfinden, dass ich nicht aussteigen, sondern meinen Aktivismus transformieren wollte.

*Obwohl ich diesen Text aus der Perspektive einer LGBT-Aktivistin schreibe, glaube ich, dass meine Erfahrungen auf andere Aktivismusbereiche übertragbar sind.




Was Aktivismus mir Positives gebracht hat?

"(Kein) Ausweg": Wie man aus dem Aktivismus aussteigt© Vika Biran


Ich kann meine Ideen verwirklichen
Das ist eine Art Magie. Es gibt allerhand Scheiße auf der Welt: Kapitalismus, Patriarchat, Homophobie, Rassismus, Sexismus... Die Liste ist lang. Das Leben in Belarus ist erst recht voller Ungerechtigkeiten. Anstatt traurig zu sein, zu jammern, einzelnen Personen/der Gesellschaft/dem Staat Schuld daran zu geben, kann ich handeln. Ich kann Unterstützung finden und meine Fantasien in die Wirklichkeit umsetzen. Jene Wirklichkeit, die ich erleben und nicht nur erträumen möchte.

Ich lerne ständig etwas Neues
Seit meinem Einstieg in den Aktivismus habe ich mehrere berufliche Qualifikationen erworben und kann mich je nach Zusammenhang als Projektmanagerin, Finanzmanagerin, Journalistin, Veranstalterin, Schauspielerin, Kommunikationsmanagerin, Copywriterin oder Beraterin bezeichnen. Ich erstelle Newsletter, die von 1000 Abonnent*innen gelesen werden. Ich nehme Podcasts in meinem Schlafzimmer auf. Ich habe keine Angst vor Videointerviews und kann Online-Meetings moderieren. Ich beherrsche die einschlägige Terminologie und Tools für IT-Sicherheit. Außerdem habe ich keine Zweifel an meiner beruflichen Identität. Ich bin mit dem Multipotentiality-Konzept vertraut und ordne mich hinsichtlich meiner beruflichen Kompetenzen dem Typus des multipotenten Menschen zu. Jedes meiner Projekte ist wie ein kleines neues Leben. Platz für Routine gibt es da nicht! Außerdem trudeln in meiner Mailbox ständig Weiterbildungsangebote ein, die ich kostenlos nutzen und dabei wiederum etwas Neues lernen kann!

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Ich gehöre einer Gemeinschaft an, trage zu etwas Wichtigem bei und empfinde mein Engagement als sinnstiftend
Ich kann mich gut an den Tag erinnern, an dem ich in Berlin ankam und für die Zeit meines Aufenthaltes in einem queerfeministischen Wohnprojekt aufgenommen wurde, in dem es keine cis-Männer und ein gemeinsames Lebensmittelregal gab. Mir wurde klar, dass ich der feministischen Community angehöre, in der Menschen Solidarität miteinander üben und sich gegenseitig helfen. Auch ich bekomme Hilfe! Weil ich dazugehöre! Der Gedanke daran beflügelte, ließ mich durch die Straßen tanzen und erlöste mich in dem Moment aus der Einsamkeit. Denn auf der ganzen Welt habe ich befreundete Aktivist*innen, die bereit sind, mir zu helfen, und das heißt auch, dass ich kein so schlechter Mensch sein kann! Außerdem weiß ich ganz genau, dass ich an wichtigen Geschehnissen in meinem Land beteiligt bin. Ich bin keine stille Beobachterin (oder Mitfühlende), sondern stehe im Mittelpunkt der Ereignisse und versuche, mit zu bewirken, dass ich in einer Gemeinschaft/Gesellschaft lebe, für die ich mich nicht schämen muss.

Kontakte, Begegnungen, Austausch, Partys
Wer hat gesagt, dass Aktivist*innen die coolsten Partys feiern? Gebt mir einen Stift, das unterschreibe ich! Menschen aus meinem Bekanntenkreis kämpfen genau so leidenschaftlich gegen Ungerechtigkeiten, wie sie leidenschaftlich tanzen, Sex haben, Geschichten erzählen, sich betrinken, reisen, Abenteuer eingehen, Bücher empfehlen und so weiter! Es reicht nicht, von Aktivist*innen-Partys zu erzählen. Sie sollten erlebt werden.

© Vika Biran


Flexibilität und Reisen
Das ist mein größtes Privileg! Sicher kann ich nicht jederzeit in den Urlaub aufbrechen, um Coffeeshops in niederländischen Dörfchen zu erkunden oder den Sonnenuntergang am Yssykköl-See zu bewundern. Ich kann es aber definitiv häufiger tun, als diejenigen meiner Freundinnen, die bei Unternehmen arbeiten, feste Arbeitszeiten haben und sich öfters mit einer Urlaubspostkarte über ihrem Tisch im Großraumbüro begnügen müssen. Außerdem war ich auf Aktivist*innen-Partys in verschiedenen Ländern und kann zuversichtlich erklären, dass sie in einem undichten Zelt im tiefen Wald in Deutschland genauso gut gelingen wie auf schneeweißen Laken in einem Luxushotel in Vilnius.




Was Aktivismus mir Negatives gebracht hat?

© Vika Biran


Zynismus, Unempfindlichkeit, Besorgnis, Gefühl von endloser Ungerechtigkeit
Habt ihr schon mal Euronews geguckt? Ich habe es versucht. Ich habe irgendwann entschieden, dass ich unbedingt auf dem Laufenden bleiben muss, und schaltete diesen Sender beim Frühstück ein. Das mache ich nie wieder. Die Nachrichten hatten gewiss ihre anregende Wirkung, aber ich hätte besser eine weitere Tasse Kaffee trinken sollen. Ein Boot mit Migranten sei vor der Küste gesunken, eine weitere Walart sei ausgestorben, in Palästina sei es zu einer Schießerei gekommen, die USA würden eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten... Und nun stellt euch mal den Newsfeeds einer Aktivistin in Social Media vor. Dieser sieht ähnlich wie Euronews-Live-Stream aus, nur geht es nicht um Unbekannte, sondern um eure Freund*innen. Es ist nicht einfach, mit dieser Flut an schlechten Nachrichten fertig zu werden. Eine Psychotherapie oder eine bewusste Einschränkung des Nachrichtenkonsums können helfen. Bevor ich es aber für mich herausgefunden habe, musste ich erfahren, was Angststörung, Paranoia, Depression und Schlaflosigkeit sind; ich musste diverse zugelassene und verbotene Präparate durchprobiert haben... Und immer noch gibt es keine Garantie dafür, dass keines dieser Szenarien sich wiederholt (aber ich hoffe es sehr).

Dauerstress
Diesem Aspekt widme ich absichtlich einen eigenen Abschnitt. Denn die Gefühle der Besorgnis und Ungerechtigkeit, um die es oben ging, überfluten einen und ebben wieder ab. Der Stress aber ist eine unvermeidliche Begleiterscheinung aller Aktivitäten. Wenn ein Arzt mir mal wieder mitteilt, meine Beschwerden seien durch Stress ausgelöst, denke ich nur: Was zum Teufel soll ich damit anfangen? Ah so ist es, kein Problem, ich schalte jetzt ruckzuck alle Stressfaktoren aus wie ich bei einer Diät Salz und scharfe Gewürze ausschließe... Verdammt, so geht es leider nicht! Um den Stress loszuwerden, müsste ich mich selbst loswerden! Der Stress ist wie das Coronavirus, verschwitzte Achselhöhlen oder Mimikfalten. Er ist da und du musst lernen, damit zu leben. Das ist das Besondere am Aktivismus, dass du nicht einfach nach Feierabend abschalten kannst. Der Stress findet dich im Bett, im Badezimmer, bei einem Spaziergang im Park, überall!

Vor einiger Zeit veranstaltete ich einen Aktivistinnen-Workshop in einem Spa. In der Freizeit konnten wir Wellness-Behandlungen in Anspruch nehmen. Ich habe mich für eine Schoko-Körperpackung entschieden. Sie schien mir, die ultimative Form von Self Care zu sein.

Ich war bereit, auf der Schoko-Wolke ins Entspannungsparadies wegzuschweben!

© Vika Biran


Stellt euch meine Enttäuschung vor, als ich – mit Schokolade eingeschmiert, in eine kuschelige Decke eingewickelt, bei gedämpfter Beleuchtung und ruhiger Entspannungsmusik – realisierte, dass ich meine Zähne zusammenbiss und selbst in diesem Schokoladenkokon darüber nachgrübelte, ob der Workshop gut lief. Es ist nun mal so, dass (auch) Aktivist*innen zu Empfindlichkeiten neigen. Die pikierte Reaktion etwa: „Warum kommt ihr nicht zu unseren Veranstaltungen?“, kenne ich aus beiden Perspektiven. Ich habe diese Frage Kolleg*innen gestellt und sie selbst beantworten müssen. Die Antwort ist immer die gleiche: weil wir alle ganz schön geschafft sind.

Ungewissheit, Existenzängste, fehlende soziale Absicherung
Ich bin 30 und war noch nie angestellt. Ich habe nie in eine Rentenversicherung eingezahlt. Ich habe weder eine Eigentumswohnung noch ein Auto. Weder Kinder noch Tiere. Ich habe keinen Uni-Abschluss. Ich bin für ein Jahr krankenversichert, aber diese Versicherung läuft bald aus. Wenn ich gefragt werde, was ich beruflich machen würde, antworte ich meist, ich sei "arbeitslos". Um in Ruhe gelassen zu werden. Ich zahle Steuern, mache es aber ungerne, weil ich dem Staat, in dem ich lebe, nicht vertraue. Es ist wohl Zeit, für das Alter zu sparen, wie es einige meiner weisen Freundinnen tun, aber ich schiebe es immer weiter hinaus.

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Ich weiß zu viel
Die Pop-Sängerin Aljona Swiridowa sang mal das Lied: "Ich weiß zu viel, es ist Zeit, mich umzubringen." Ich bin nicht lebensmüde, aber mitunter denke ich, dass ich mehr weiß, als ich wissen möchte. Es macht mir keinen Spaß, in einem gewissen Club rumzuhängen, weil ich peinliche Details aus der Biografie des Clubbesitzers kenne. Ich weiß, dass eine gewisse NGO unlauter handelt und scheinheilig tut. Ich weiß, wer wem was gestohlen hat, wer mit wem schläft, wer wen nicht ausstehen kann... Ich weiß viel, aber ich darf nicht darüber sprechen. Manchmal denke ich, dass ich in Minsk nicht mehr genug Raum habe, um mich entspannt und anonym zu fühlen.




Was sollten Aktivist*innen beachten?

Das, was jetzt kommt, ist auf keinen Fall als ein Ratgeberteil gemeint. Ich habe nicht vor, (unerbetene) Ratschläge zu erteilen und bin mir sicher, dass niemand sich besser mit dem Leben eines Menschen auskennt als er/sie/* selbst. Es geht hier deshalb um die Schlüsse, die ich in Bezug auf meine eigene Situation gezogen habe und von denen ich annehme, dass sie für andere hilfreich sein könnten – unabhängig davon, ob sie mit dem Aktivismus anfangen, weitermachen oder für immer aufhören wollen.

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Nicht alle Eier in einen Korb legen
Der Aktivismus kann dir nicht alles auf einmal geben – Rückhalt, narzisstischen Trost, Erfüllung, Freude und so weiter. Bei einer Co-Abhängigkeit empfiehlt es sich, stets auf der Hut sein: Hätte ich diese Beziehung nicht mehr, was bliebe dann noch übrig? Es ist cool, andere Quellen der Selbstverwirklichung und Unterstützung auf Lager zu haben für den Fall, dass ihr euch doch eines Tages entscheidet, mit dem Aktivismus aufzuhören. Damit ihr dann getrost sagen könnt: Alles gut, ich bin mehr als nur mein Aktivismus.

Diversifizierung der Einnahmequellen
Die Einnahmen aus dem Aktivismus sind ein kompliziertes Thema. Deshalb wird es oft gar nicht erst angesprochen. Zum einen kann es in Belarus gefährlich werden, darüber zu sprechen. Zum anderen handelt sich dabei um ein grundsätzliches Dilemma: wenn ich für meine Aktivitäten bezahlt werde, darf ich sie immer noch als Aktivismus bezeichnen? Ich kann hier nicht in die Details gehen und eine gründliche Analyse des Problems anstellen (selbst meine Freundinnen vertreten in der diesbezüglichen Debatte völlig gegensätzliche Meinungen). Daher verweise ich hier nur auf folgende pragmatische Überlegungen.

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Den Ausweg aus dem Teufelskreis, in dem wir landen, wenn wir immer weitere Fördermittel beantragen für Projekte, die uns nicht mehr so brennend interessieren, aber unseren Lebensunterhalt sichern können, sehe ich darin, dass wir uns zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Es kann dabei hilfreich sein, sich selbst zu fragen: Was sonst kann ich gut machen? Und: Wie möchte ich mich weiterentwickeln? Bei der Diversifizierung geht es nicht unbedingt gleich um eine Festanstellung bzw. Jobs, in denen eine*r sich entfremdet fühlen würde. Hingegen sind Übersetzungen, Grafik- oder Webdesign in unterschiedlichen Branchen auf Freelance-Basis gefragt. Beim Aktivismus geht es definitiv nicht um lukrative Posten. Ein*e Basisaktivist*in wird sich normalerweise nicht leisten können, jedes Jahr das coolste Smartphone zu kaufen. Das andere Extrem ist dagegen viel häufiger anzutreffen: Menschen wenden ihre ganze Zeit und Energie ausschließlich für den Aktivismus auf und haben schließlich kein Geld, um ihre Wohnung zu bezahlen, Lebensmittel einzukaufen und eine Auszeit zu nehmen.

Das Aktivismus-Dilemma wird auf unterschiedliche Weise gelöst. Ich kenne zum Beispiel Fälle, wenn Menschen sich ehrenamtlich engagieren, dafür eine Aufwandsentschädigung annehmen, die ihnen hilft, elementare Lebensbedürfnisse zu sichern, und dabei an vier Tagen in der Woche einen regulären Beruf ausüben. Eine weitere Option ist eine Kombination aus dem Basisaktivismus und der Arbeit in einer NGO, wo du einen Job ausfüllst, der zu deinen Werten und Bedürfnissen passt. Also, Arbeit und Aktivismus ins Gleichgewicht zu bringen, ist schwierig, aber möglich.

© Vika Biran


Es gibt keinen richtigen Weg
Dennoch gibt es im Aktivismusbereich keine Standardlösungen und -szenarien. Dies ist einer der Gründe, weshalb viele Aktivist*innen eine Psychotherapie machen. Tagtäglich müssen sie unorthodoxe Entscheidungen treffen und Verantwortung für ihr Leben wahrnehmen. Bei der Suche nach dem eigenen Lebensentwurf ist deshalb wichtig, sich nicht nur mit denjenigen Mitmenschen auseinanderzusetzen, die eine*n nerven, wütend oder misstrauisch machen (die gibt es auch in der Aktivist*innen-Szene), sondern auch mit denen, die Respekt, Bewunderung, Freude und Interesse wecken. Vielleicht gehst du beim nächsten Mal mit einem Menschen Kaffee trinken, von dem du dir was abgucken kannst?

Sei nicht arrogant
Es kommt vor, dass Aktivist*innen eine gewisse Arroganz entwickeln, wenn sie den Bezug zur Realität verlieren und sich einbilden, dass ihr Aktivismus „der richtigste“ ist, dass ihre Meinung am meisten zählt und dass alle anderen Bullshit-Projekte machen sowie generell ziemlich doof sind. Natürlich ist es wichtig, die eigenen Leistungen zu würdigen und nicht zu schmälern. Aber ebenso wichtig ist, die eigene Bedeutung nicht zu überschätzen und sich nicht als Oberguru in Sachen LGBT/Feminismus/Anarchismus/Veganismus usw. aufzuspielen.

© Vika Biran


Veränderungen sind notwendig
In jedem Sinne. Wenn du fünf Jahre lang Seite an Seite mit denselben Menschen gearbeitet hast, ist es nicht ausgeschlossen, das ihr weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten und euch gegenseitig fördern könnt. Es kann aber sein, dass das nicht mehr der Fall ist und ihr euch gegenseitig in eurer beruflichen Entwicklung blockiert. Ein Tapetenwechsel bringt neue Erkenntnisse und befreit aus beschränkenden Routinen: ob es nun um unsere Teams und Arbeitsabläufe geht oder unsere Wohnungen, Haarfarben, Trainingspläne etc.




P.S. Vor kurzem musste ich nach einem Arbeitstreffen weinen. Meine Gesprächspartner*innen haben mich nicht ernst genommen. Sie haben mich verlacht sowie meine Professionalität und Ehrlichkeit in Frage gestellt. Ist es passiert, fragte ich mich, weil ich die Sneaker des belarussischen Schuhherstellers „Lida“ getragen habe? Oder, weil meine Haare blau gefärbt sind? Haben die Leute ihre schlechte Erfahrungen mit jemand anders auf mich projiziert? Hat die Tatsache, dass ich eine offen lesbische LGBT-Aktivistin bin, eine Rolle gespielt? Beim Spaziergang ließ ich es mir durch den Kopf gehen, und während ich die frische Frühlingsluft einatmete, stellte ich fest, dass das Ganze nichts mit mir zu tun hatte. Ich kann die Menschen nicht ändern, die sich eine solche Rücksichtslosigkeit erlauben, aber ich kann meine eigene Haltung relativieren, denn es geht in diesem Fall um mich als Profi, nicht als Aktivistin. In dieser Situation kann und muss ich sachlich bleiben und meine eigenen Emotionen heraushalten. Elan und Leidenschaft, die ich als Aktivistin habe, kann ich ausleben, indem ich diesen Text, der mich so lange beschäftigte, gerade fertig schreibe.

© Vika Biran


Text und Bild: