4 сакавіка 2021

"Die Leute haben keine Angst davor, krank zu werden, sondern davor dass sie im Krankenhaus landen könnten"

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Die Angst ins Krankenhaus zu gehen, geschlossene Grenzen und die Unmöglichkeit, Medikamente aus dem Ausland zu besorgen... Alisa, Mitglied der TG House Initiative, Trans*Aktivistin und Koordinatorin der zielgerichteten sozialen Unterstützung der Trans*Koalition in Belarus spricht über ihre Erfahrungen als Aktivistin und darüber mit welchen Schwierigkeiten Transgender-Menschen während der Pandemie konfrontiert sind.
Изображение: Mila Vedrova
In all der Zeit, in der MAKEOUT als Informationsplattform für LGBT-Menschen fungiert, sehen wir, dass hier immer noch verschiedene Stimmen mit unterschiedlicher Intensität zu hören sind. Unsichtbarkeit mag einen trügerischen Eindruck von Wohlbefinden vermitteln, aber das ist grundlegend falsch: Unsichtbarkeit grenzt normalerweise an maximale Verletzlichkeit.

Die Unsichtbarkeit von Problemen der Trans*Gemeinschaft ist oft mit Cis-Privilegien verbunden: selbst als LGBT-Aktivist_innen sind cisgeschlechtliche Menschen nicht mit den ökonomischen oder sozialen Konsequenzen der systemischen Transfeindlichkeit konfrontiert. Deshalb ist es so wichtig, auf die Stimmen von Trans*Aktivist_innen zu hören.

Im Rahmen einer großen Kampagne der Trans*Koalition im post-sowietischem Raum, Trans*Menschen in Zeiten der Pandemie zu helfen, haben wir begonnen, mit einer neuen belarussischen Initiative, TG House, zusammenzuarbeiten. Deren Mitglied Alisa, Trans*Aktivistin und Koordinatorin der zielgerichteten Unterstützung der Trans*Koalition in Belarus, hat sich bereit erklärt, ihre aktivistische Erfahrung mit uns zu teilen und uns von der Arbeit ihres Teams zu erzählen.





Milana: Bitte erzähl uns, wie du zum Trans*Aktivismus gekommen bist. Hattest du irgendwelche Erwartungen, bevor du die Koordinatorin der "TG House" Initiative wurdest?

Alisa: Die Idee von "TG House" kam mir ganz spontan. Vor einigen Jahren habe ich mich der Organisation "Our House" angeschlossen. Zunächst habe ich dort redaktionelle Arbeit gemacht, Texte gegengelesen, übersetzt, usw. Und dann dachte ich: "Warum nicht..." Es gibt einige Probleme, und ich würde gerne anfangen, etwas für Trans*Menschen zu tun. Also sprach ich mit der Direktorin und sie unterstützte mich. Im Oktober 2019 haben wir ein Monitoring der Diskriminierung von Transgender-Personen in Belarus durchgeführt und die wichtigsten Punkte herausgearbeitet, die wir jetzt angehen müssen.

Eines der Hauptprobleme bleibt, dass man die persönlichen Identifikationsnummer im Pass nicht ändern kann. Viele beschreiben das jetzt, als ob es kein Problem mehr gäbe, da die Nummer seit 2012 die Nummer entpersonalisiert sei. In der Tat ist seit 2012 die Identifikationsnummer in den Pässen nicht mehr an das Geschlecht gekoppelt. Dies ist aber nur bei neuen Pässe der Fall. Tatsächlich haben alle Personen, die älter als 23 Jahre sind, Pässe, die vor 2012 ausgestellt wurden und die noch die vorherige Nummer beinhalten. Und es ist falsch zu sagen, dass das Problem gelöst wurde. Außerdem gibt es immer noch das Problem des Zugriffs auf die Nummerndatenbank, bei dem praktisch jeder Mitarbeiter in die Datenbank seiner Organisation gehen und die ehemaligen Daten einer Transperson einsehen kann. Dies sollte nicht so sein, denn es handelt sich um eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht und um die Offenlegung von persönlichen Informationen.

Und natürlich gibt es ein globales Problem: die Einstellung der Gesellschaft. Leider lässt sich die Gesellschaft nicht so schnell ändern, sodass die einzige Chance für jegliche Änderungen darin besteht, die Gesetzgebung zu ändern. Es ist notwendig, Gesetze zu haben, die die Verantwortung im Falle von Diskriminierung festlegen. Bei uns ist es aber so, dass wenn irgendwelche Straftaten gegen LGBT+-Menschen begangen werden, versucht wird das zu vertuschen. Es wird nicht benannt, dass das Verbrechen durch Hass motiviert war, sondern es wird als gewöhnliches Hooliganismus ohne jeglichen Gender Bezug dargestellt.

Die Prozedur der Geschlechtsumwandlung in Belarus wird jetzt durch die Verordnung des Gesundheitsministeriums geregelt. Faktisch ist es nicht einmal ein Gesetz. Wir haben kein einziges Gesetz, in dem die gesellschaftliche Gruppe der LGBT+ überhaupt erwähnt wird. Als ob es keine LGBT+-Menschen und damit auch keine Probleme gäbe. Deshalb ist es wichtig, alle wesentlichen Punkte auf gesetzlicher Ebene zu regeln - von der Änderung des Geschlechtseintrages bis hin zur Verantwortung für Hassverbrechen aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.

Milana: Was hat dich überhaupt dazu bewogen aktiv zu werden?

Alisa: Es war keine leichte Entscheidung für mich. Ich habe es gar nicht angestrebt Aktivistin zu werden - vielmehr kam der Aktivismus von selbst in mein Leben. Man kann viel darüber reden, womit man in seiner aktuellen Situation unzufrieden ist, aber es ist eine ganz andere Sache, zu versuchen, etwas zu verändern, etwas beizutragen, etwas zum Guten zu wenden.

"Die Leute haben keine Angst davor, krank zu werden, sondern davor dass sie im Krankenhaus landen könnten"© Mila Vedrova


Wenn ich normalerweise über Probleme spreche, gehe ich in der Regel von meinen persönlichen Erfahrungen aus: wie ich mein Leben überhaupt lebe, welche Probleme ich anfangs hatte, als ich beschlossen habe, mein Leben zu ändern und ich selbst zu werden. Das erste Problem, wenn man sich ändern möchte, ist die Familie und die Frage "wie man es den Eltern sagt.

Die Reaktion meiner Eltern war einfach furchtbar. Lange Zeit dachte meine Mutter, es sei eine Art "Spaß". Jetzt verstehen wir uns natürlich besser, aber am Anfang wollte sie das nicht wahrhaben. Sie tat so, als könnte in ihrem Leben so etwas nicht passieren. Es ist wichtig, nicht nur an die Probleme von Trans*Menschen selbst zu denken, sondern auch an ihre Angehörigen, die ebenfalls mit bestimmten Problemen zu kämpfen haben. Was ist zum Beispiel die größte Angst meiner Eltern? Ich persönlich kann sehen, dass ihre Hauptangst nicht ist, dass ich mir etwas antue, sondern was die anderen denken werden? Arbeitskollegen, Nachbarn... Zum Beispiel, ruft meine Tante meine Mutter an und fragt: "Wie geht es deinem Sohn?" Und meine Mutter weiß nicht, was sie sagen soll. Es herrscht die Angst, es anderen Verwandten zu erzählen. Zuerst denken sie an die Menschen in ihrer Umgebung, und das ist natürlich schwer. Das bedeutet, dass auch unsere Angehörigen unter der gesellschaftlichen Transfeindlichkeit leiden. Deshalb brauchen sie auch psychologische Hilfe, um sich psychisch auf eine Art und Weise vorzubereiten.

Ich gebe meinen Eltern nicht die Schuld, dass sie mich nicht akzeptieren. Ich bin mir bewusst, dass sie vom alten sowjetischen Schlag sind und dass es für sie schwierig ist. Sie sind ganz anders aufgewachsen und verstehen überhaupt nicht, "was vor sich geht". Aber natürlich kann nicht jeder einfach hergehen und sagen: "Die Eltern haben es nicht akzeptiert - macht nichts“. Das Verständnis der Eltern ist für viele Menschen wichtig. Wenn von nahestehenden Menschen Akzeptanz und Verständnis ausgeht, entsteht der Wunsch, zu leben, etwas zu tun, sich zu entwickeln, voranzukommen. Wenn jedoch die Nicht-Akzeptanz vorherrscht, hinterlässt das einen negativen Abdruck. Wenn selbst die engsten Menschen dich nicht akzeptieren, was ist dann mit anderen, fremden Menschen? Eigentlich ist das doch das "einfachste" – von Angehörigen akzeptiert zu werden. Deshalb überlege ich momentan, was ich tun kann, wie ich Eltern und Angehörige von Trans*Menschen helfen kann.

Als ich zum ersten Mal zu "Our House" kam, hatte ich zuerst befürchtet, dass es dort homofeindliche, transfeindliche... Menschen gibt. Und ich war überrascht von der normalen, angemessenen Einstellung mir gegenüber. Hier werde ich nicht nach meinem Geschlecht beurteilt, sondern nach meinen Handlungen. So sollte es auch sein. Und ich merke, wie sich diese Einstellung auf meine Leistung auswirkt. Vorher, bei anderen Jobs, schwirrte ständig die Frage in meinem Kopf: "Wie werde ich wahrgenommen?" Das hat meine Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt, weil diese Gedanken viel Zeit und Energie in Anspruch genommen haben. Das Problem von "Wie werde ich wahrgenommen?" haben die meisten Transgender-Menschen in Belarus. Und es ist schwierig, die ganze Zeit mit diesen Gedanken zu leben.

Milana: Ich finde es sehr cool, dass du zu einer Organisation gekommen bist, die ursprünglich eine andere, breitere Ausrichtung hatte, und dann deine eigene eingebracht hast. Ich denke, das ist eine seltene Geschichte und sie fasziniert mich. Denn auch wenn es sich um eine NGO oder eine Art ziviles Engagements handelt - gegen Homo- und Transfeindlichkeit ist man nirgendwo gefeit. Aus diesem Grund denke ich, dass viele Menschen aus der LGBT+-Community gar nicht erst zu den Organisationen (mit einer breiten Ausrichtung) kommen, die sie interessieren würden, weil in etwa die Angst besteht "wir sind alle für Demokratie, aber ob wir trans- oder homofeindlich sind, ist eine andere Sache".

Alisa: Ich habe die Entscheidung, von meiner Idee zu erzählen, nicht sofort getroffen. Wir fingen an, mit "Our House" zu kooperieren, und allmählich sah ich, dass die Atmosphäre im Wesentlichen stimmte und dass die Leute mich gut behandeln. Ich spürte, dass sie mich unterstützen würden, dass sie vielleicht Verständnis für mein Problem und Akzeptanz dafür haben könnten. Erst dann kam ich auf den Gedanken, meine Idee vorzuschlagen. Anfangs, da hatte ich natürlich Schiss. Ich dachte: gut, dass wir zumindest zusammenarbeiten, aber etwas Eigenes vorzuschlagen kam nicht in Frage. Um eine Initiative voranzubringen, muss man zeigen, dass das Problem nicht nur ein Einzelfall ist. Es ist nicht das Problem von nur einer oder fünf und auch nicht von nur zehn Personen.



Man muss klar machen, dass wir über Hunderte von Menschen sprechen, die aufgrund von Stereotypen Probleme in der Gesellschaft haben, permanent mit negativen Reaktionen konfrontiert sind, nicht akzeptiert werden, als pervers abgestempelt werden, keine Unterstützung von ihren Familien erfahren.



Aufgrund dieser Stereotypen leidet auch die gesellschaftliche Integration sehr. Die Arbeitssuche ist erschwert. Es gibt eine Menge anderer Probleme. Schon vor der Pandemie war Arbeitslosigkeit für viele Trans*Menschen in Belarus ein großes Problem. Einige Geschichten von Bekannten sind wirklich schockierend. Beispielsweise wurde eine junge Frau eingestellt, um einer Frau mit Sehbehinderung zu helfen. Diese Frau hat irgendwie mitbekommen, dass sie eine Transfrau ist und hat sie gebeten, nicht mehr wiederzukommen. Das war ein völliger Schock für mich. Die Person hatte gute Absichten - sie war zum Helfen gekommen, um als Betreuerin zu arbeiten. Und sogar die Person, die selbst Hilfe brauchte, verweigerte ihr die Einstellung.

Und solche Beispiele gibt es zuhauf. Eine Bekannte von mir war in einer leitenden Position, alles war in Ordnung. Sie fing an, Hormone zu nehmen, begann sich zu verändern, und es gab sofort Fragen auf der Arbeit. Sie hatte viele Jahre dort gearbeitet, alles war in Ordnung, es gab gute Erfolgsindikatoren... Und plötzlich wurde sie aus irgendwelchen formalen Gründen entlassen, mit der Begründung, sprich, sie habe angefangen, schlecht zu arbeiten. Das ist sehr seltsam.

Ich selbst habe 2018 versucht, eine Einstellung in Minsk zu erreichen. Es war eine ganz einfache Arbeit. Wir haben uns mit dem Arbeitgeber im Büro getroffen, geredet, alles schien in Ordnung. Aber etwas ist mir im Prozess der Kommunikation aufgefallen: es gab irgendwie merkwürdige Reaktionen auf mich, irgendwelche Zweifel, etc. Obwohl es eine sehr einfache Arbeit war, eigentlich eine Art Nebenjob. Ich kam nach Hause und wollte schon mit der Arbeit beginnen, und habe sie angeschrieben... Aber nein, sie antworten mir: "Dieser Job passt nicht zu Ihnen." Das klang wie eine Ausrede. Ich konnte es mir nicht einmal zusammenreimen: Wie kann das sein, so ein einfacher Job - und ich bin nicht geeignet. Was für ein Blödsinn? Momente wie dieser kratzen schwer am Selbstwertgefühl. Kein Wunder, dass man danach leicht in eine Depression verfallen kann. Wenn man selbst bei einen einfachen Job, bei dem man etwas Mechanisches machen muss, nicht eingestellt wird, obwohl man ein Studium hat und so weiter - das ist natürlich sehr verletzend.

Milana: Und ich bin sicher, dass die meisten Menschen keine direkten Ablehnungen bekommen. Es gibt keine offenen Ablehnungen "aufgrund von Homo- oder Transfeindlichkeit" nach dem Motto: "Wir sind transfeindlich, deshalb..."

Alisa: Nein, natürlich nicht. Immer gibt es irgendeinen erfundenen Grund. Und wenn es bei der Arbeitssuche schwer zu sagen ist, ob du abgelehnt wurdest, weil du diese Art von Person bist, oder aus einem anderen Grund... Aber wenn du jahrelang arbeitest, anfängst dich zu verändern, und sie dich feuern - nun dann wird es schon offensichtlich. Denn so viele Jahre lang war alles okay, und dann fällt es aus irgendeinem Grund plötzlich zeitlich zusammen. Wie das?

© Collage von Mila Vedrova


Es ist schade, dass die Menschen Angst haben, es öffentlich zu machen, aus Angst, dass es später Probleme mit anderen Jobs geben könnte. Am Ende wurde meine Bekannte für einen niedrig qualifizierten, schlecht bezahlten Job eingestellt, obwohl sie vorher eine hohe Position innehatte. Eine andere Bekannte von mir, eine Übersetzerin, arbeitet jetzt bei McDonald's... Sie hat eine furchtbare Dysphorie vor diesem ganzen Hintergrund. Auch wenn man solche Fälle nicht durch die Presse öffentlich macht, denke ich, ist es trotzdem wichtig zu versuchen rechtlichen Beistand zu bekommen. Andernfalls, wenn man mit Ungerechtigkeit konfrontiert ist und nicht versucht dieses Problem zu lösen, wird es psychologisch schwierig sein weiterzuziehen. Und es wird die weitere Stellensuche beeinflussen.

Diese Schutzlosigkeit übt permanent Einfluss auf den Menschen aus. Man hat vor allem Angst. Man wählt einen Job, der vielleicht gar nicht passend ist, der nicht gefällt, einfach weil es keine andere Wahl gibt. Zwar gibt es Qualifikationen, Studium, Erfahrung, aber faktisch bleibt es eine Wahl, die von einem einzigen Kriterium geleitet wird - wo wird man akzeptiert. Es gibt keine weiteren Kriterien.




Ein weiteres Problem, das es schon immer gab, das aber jetzt während der Pandemie noch offensichtlicher geworden ist, ist der Zugang zu medizinischen Leistungen für Trans*Menschen.

Unsere Nachforschung hat gezeigt, dass es nicht die Vorstellung ist, krank zu werden, die den Leuten Angst macht, sondern die Tatsache, dass sie im Krankenhaus landen könnten, wobei sie diese Dokumente oder jene Geschlechtsorgane haben, die "nicht den Dokumenten entsprechen" - und das wiederum verursacht Angst. Ich verstehe das sehr gut, denn auch unter unseren Ärzten gibt es nicht wenig Leute, die Trans*Menschen schlecht behandeln. Was ich sehe und höre, wenn ich mich mit Bekannten aus der Community unterhalte ist, dass die meisten von ihnen überhaupt die Tatsache ausschließen krank zu werden. Sie werden versuchen, alles zu tun, um nicht in dieses System zu geraten: auf Selbstbehandlung zurückgreifen, auch wenn es ihnen schlecht geht, um einfach nicht hinzugehen, keine Labortests zu machen usw.

Natürlich denke ich, dass die Leute schon um Hilfe bitten werden, wenn es gar keinen Ausweg gibt. Ich urteile nach meiner eigenen Erfahrung. Ich halte es auch meist bis zum letzten Moment aus. Aber wenn ich verstehe, dass es vorbei ist, es keine anderen Optionen mehr gibt - dann habe ich keine Angst mehr. Ich kann überall hingehen, es ist mir egal. Wenn es um die Gesundheit geht und es zu ernsthaften Problemen kommen kann, muss man sowieso Hilfe suchen. Die Realität ist aber, dass die meisten Menschen es hinauszögern werden. Und wenn man es aufschiebt, kann das durchaus negative Folgen haben. Die Angst, in dieses System zu geraten, ist sehr groß. Selbst diejenigen, die bereits Operationen etc. hinter sich haben, haben diese Angst. So oder so bleibt die Befürchtung, "was, wenn sie es herausfinden, bemerken". Diese Befürchtung ist immer da.

Ich denke, es ist sehr wichtig, mit solchen Ängsten in der Community zu arbeiten. Es ist wichtig zu verstehen, dass, egal wie viel wir innerhalb der Community arbeiten, egal wie viel wir informieren, es wird immer noch Transfeinde und Hater geben, und zwar in allen Sphären. Es ist also nicht nur wichtig sich gegen Diskriminierung zu wehren, sondern auch, dass die Menschen sich selbst unterstützen, ihre Ängste loswerden und Selbstvertrauen entwickeln können. Ich kann das an mir selbst sehen: Wenn ich zum Beispiel an Konferenzen teilnehme, möchte ich als selbstbewusst wahrgenommen werden. Wenn ich schüchtern oder ängstlich bin, ist es immer offensichtlich, und es ist, als ob es das, was ich sage, abwertet. Und wenn ich Selbstvertrauen und Initiative zeige, ändert sich die Einstellung zu meiner Ansprache. Es funktioniert wirklich. Ich versuche immer, mich psychologisch einzustellen: denk nicht darüber nach, dass du irgendwie anders bist, denk daran, dass du ein ganz normaler Mensch bist. Denk nicht darüber nach, wie du wahrgenommen wirst, wie man dich ansehen wird. Wenn diese Gedanken weg sind, wenn man Selbstvertrauen hat, dann ändert sich die Einstellung anderer Menschen zu dir.

Es ist klar, dass dies nicht immer funktioniert, aber es ist besser als Angst und Schüchternheit, denn diese machen die Situation nur noch schlimmer. Natürlich ist es einfach zu sagen: "Sei nicht schüchtern, hab keine Angst". Auch ich schwanke von einem Extrem zum anderen: Ich kann sagen, dass ich vor nichts Angst habe und alles in Ordnung ist, und im nächsten Moment ist das Gegenteil der Fall. Jede Situation sieht anders aus, und wir können uns in verschiedenen psychischen Verfassungen befinden.

© Collage von Mila Vedrova / Das für die Collage verwendete Foto stammt aus Alisas Archiv


Nasta: Wie hat sich die Pandemie auf das Leben der Trans*Community ausgewirkt? Die Menschen sind schon lange mit Arbeitslosigkeit und mangelndem Zugang zu Medikamenten konfrontiert, aber geschlossene Grenzen und die Unmöglichkeit, Hormone aus dem Ausland zu beziehen, ist eine neue Situation. Wie wird in der Trans*Community darüber gesprochen, wie geht es den Menschen und wie unterscheidet sich das von der üblichen Verschreibungssituation?

Alisa: Viele Leute haben früher Medikamente aus dem Ausland bestellt. Und jetzt sind die Menschen wirklich damit konfrontiert, dass sie ihre Medikamente wegen der geschlossenen Grenzen nicht erwerben können. Leider ist es hier generell schwierig, ein Rezept für Medikamente zu bekommen. Ich denke, wir sollten die Situation mit der Hormontherapie in Belarus vereinfachen: einfacher und schneller Genehmigungen erteilen. So dass eine Person, wenn sie bereits Hormone nimmt, Hilfe von Endokrinologen bekommen könnte.

Momentan schreiben die Regeln der 163. Verordnung vor, dass Hormone erst nach zwei Jahren Beobachtung, erfolgreicher Integration (ich frage mich, wie das möglich ist, wenn das Aussehen ohne Hormonersatztherapie überhaupt nicht dem gewünschten entspricht?), Einholung der Berechtigung zur Dokumentenänderung und Operation, also erst nach der zweiten Kommission, eingenommen werden können. Wir müssen dieses System ändern: wenn eine Person bereits zur Registrierung gekommen ist, Hormone einnimmt, die offizielle Prozedur bereits begonnen hat und sich im Prozess der Geschlechtsanpassung befindet - sollte ihr die Einnahme von Medikamenten nicht verboten werden, sie soll die Hormone nach der Untersuchung im Republikanischem Zentrum für Wissenschaft und Praxis weiter einnehmen. Das setzt voraus, dass die Kommission nicht wie bisher ein Mal im Jahr, sondern halbjährlich tagt und nicht nur Dokumentenänderungen, sondern auch Hormontherapien zulässt. Denn ohne Hormone kann ein Mensch oft nicht so aussehen, wie er möchte. Hormone haben einen sehr großen Einfluss auf das Aussehen und damit auch auf die Integration.

Unterbrechungen der Hormoneinnahme wirken sich nachteilig auf die Gesundheit aus. Jetzt kann man zum Beispiel ein bestimmtes Medikament nicht kaufen, aber eine Person nimmt es seit, sagen wir, einem Jahr. Sie hat einige Tests hinter sich, ihr Hormonhaushalt hat sich bereits verändert und auf der neuen Grundlage stabilisiert. Selbst ein paar Monate sind eine sehr lange Zeit, solche Brüche sollten nicht passieren.

Der Mangel an Rezepten verschlimmert die Situation. Ohne Rezepte ist ein Mensch gezwungen, nicht das Medikament zu nehmen, das ihm am besten passt oder das er braucht, sondern das, was gerade verfügbar ist. Heute gibt es so eins und morgen wird es ein anderes geben - was du gerade bestellen kannst, wird es am Ende auch sein. Es gibt keine Beständigkeit, manchmal muss man sich einfach damit abfinden: Das ist, was man hat, und das war's.

Das Beängstigende ist, dass die Menschen auf eigenes Risiko handeln müssen, alles selbst zu bestellen und zu verschreiben, denn Alternativen gibt es nur wenige. Und jetzt, mit der Schließung der Grenzen, sogar noch weniger. Jemand findet Ärzte über Kontakte und kriegt von ihnen ein Rezept unter dem Tisch. Wenn das System es einfacher machen würde, offiziell ein Rezept zu bekommen, und die Leute nach sechs Monaten Zugang zur HRT (Hormonersatztherapie) hätten, wäre es viel sicherer. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Menschen sowieso Hormone nehmen werden, man kann nichts dagegen tun. Momentan wird eingeschüchtert: "Nimm keine Hormone, das darfst du nicht". Aber wie soll eine Person sich dann integrieren, wie soll sie leben? Und dabei geht es nicht um die abstrakte "Schönheit": die Person durchläuft die Prüfung vor der Kommission, ändert ihre Dokumente - wie will sie mit diesen Dokumenten ohne HRT leben? Manchmal ist es einfach unmöglich.

Unseren Endokrinologen fehlt es oft an Wissen. Ich weiß von Fällen, in denen verschiedenen Personen mit völlig unterschiedlicher Konstitution und Testergebnissen das gleiche Medikament in der gleichen Dosierung zur Feminisierung vorgeschlagen wurde. Ich habe keine medizinische Ausbildung, aber aus meiner Erfahrung weiß ich schon deutlich mehr als viele Spezialisten. Es gibt eine Menge englischsprachiger Anleitungen im Internet zu HRT-Modellen, aber es ist wichtig zu verstehen, dass alle diese Modelle individuell sind. Sie müssen für jede einzelne Person angepasst werden, und alle Paar Monate Labortests gemacht werden, die Modelle justiert werden... Es gibt viele Beispiele dafür, dass Ärzte es nicht verstehen. So gibt es zum Beispiel ein beliebtes Medikament, das standardmäßig mit 50 mg verschrieben wird. Kein einziger Arzt, selbst nicht eine Bekannte, glaubt, dass 6 mg pro Tag ausreichen können, damit alles in Ordnung ist. Aber für mich reicht es aus, einen (für eine Frau) in den Labortests normalen TST-Hormonspiegel zu haben, warum sollte ich mehr nehmen? Dies ist ein einfaches Beispiel dafür, dass eine Behandlung immer individuell angepasst werden sollte. Deshalb schreibe ich an keiner Stelle einen allgemeingültigen Ratschlag oder ein Therapieschema.

Nasta: Letztlich ist es so, dass selbst wenn man zur Kommission geht und ein Rezept bekommt, es immer noch einen Mangel an Spezialisten gibt, die etwas von HRT verstehen. Das ist so ein Wirrwarr von Problemen, der die Menschen zwingt, sich mit all diesen Fragen selbständig auseinanderzusetzen, irgendwelche Beratungen zu suchen...

Alisa: Das ist der Grund, warum es so wichtig ist, dass wir eine Community haben: sie eröffnet die Möglichkeit, Infos miteinander zu teilen. Es ist immer noch notwendig, einen Arzt aufzusuchen, ein Arzt ist ein Arzt, er kann die Laboranalysen kompetent entschlüsseln und kommentieren. Aber der Erfahrungsaustausch untereinander ist sehr wichtig. Daran ist nichts strafrechtlich auszusetzen, anders als bei der Herausgabe von Medikamenten ohne Rezept: wenn wir über unsere Erfahrungen sprechen, spricht jede von uns für sich selbst, aber unsere Erfahrungen können für andere nützlich sein. Dieselben 6 mg - auch das ist mir nicht von selbst eingefallen, ich habe von einer Bekannten davon erfahren. Ich dachte sogar zuerst, es sei ein Scherz, ich habe mich an der durchschnittlichen Empfehlung für alle orientiert - etwa 50 mg. Aber ich hatte eine echte Lebenserfahrung einer anderen Person vor mir. Ich habe einige Anpassungen in meinem Dosierungsschema vorgenommen und es schien für mich zu funktionieren. Ich habe das Gefühl, dass eine Verringerung der Dosis gut für meine Gesundheit ist, daher finde ich es seltsam, dass den Leuten unterschiedslos geraten wird, die maximale Dosis zu nehmen.

© Collage von Mila Vedrova


Milana: Welche anderen Probleme gibt es aktuell im Zulassungsprozess (zur Kommission, Anm. d. Ü.)?

Alisa: Eine der größten Ängste beim Zulassungsprozess ist die Hospitalisierung - es ist eine psychiatrische Untersuchung. Sobald du zur Anmeldung kommst, bekommst du sofort eine Überweisung in eine psychiatrische Klinik. Ich habe Bekannte, die bereits alle Tests, alle Untersuchungen durchlaufen haben, und ihnen bleibt nur diese eine Überweisung - die psychiatrische Klinik. Sich für einen Krankenhausaufenthalt zu entschließen ist sehr schwierig. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Zwangseinweisung in ein Krankenhaus in der jetzt bestehenden Verordnung durch die Möglichkeit einer ambulanten Untersuchung ersetzt wird. Wenn jemand jetzt zum Beispiel alle drei Monate zu einem Sexualmediziner geht, soll er ruhig öfter kommen, einmal im Monat beispielsweise, aber warum sollte man die Person so drastisch aus ihrem normalen Leben herausreißen, indem man sie in eine geschlossene Klinik steckt?

Dabei passiert dort eigentlich gar nichts. Ich erinnere mich an meine Untersuchung, die ganze drei Wochen ging. Ratet mal, wie viele Tage dort tatsächlich etwas passiert ist. Vier. In anderthalb Wochen hatte ich schon alle Tests durch, und die restlichen anderthalb Wochen musste ich nur noch darauf warten, dass irgendein Dozent einen Abschlussbericht schreibt.

Ich fragte: Warum kann ich denn nicht jetzt nach Hause gehen und dann zu diesem Dozenten kommen, damit er den Bericht schreibt? Nein, sagten sie, wenn Sie nach Hause gehen, werden Sie alles noch einmal von vorne anfangen. Eineinhalb Wochen lang passierte absolut nichts, ich saß nur da und wartete. Wozu dann eine solche Untersuchung, wenn das alles ambulant gemacht werden könnte? Legen wir einen Monat fest und lassen die Person einmal pro Woche in die Klinik kommen, sich Tests unterziehen, untersucht werden... Das ist schließlich so ein Angriff auf die Psyche: "Geh in die Klapse".

Die Bedingungen haben sich heutzutage natürlich verbessert: Zum Beispiel kann die Person kostenlos auf einer separaten Station untergebracht werden, während dies früher nur gegen eine Gebühr möglich war. Jetzt ist es „lockerer“ auf der Station. Als ich dort war, konnte ich nicht einmal das Handy benutzen, sie haben es mir weggenommen. Aber dennoch, welche Art von Lockerungen in den Bedingungen es auch gibt, es ist die bloße Tatsache dort zu sein, dieser erzwungene Kontakt, unbequeme Fragen... Die Leute haben das Recht, ihren Status nicht mit anderen zu besprechen, sie wollen vielleicht nicht über sich reden, aber man läuft sich drei Wochen lang über den Weg, geht in die Kantine, und sie fangen an, einen auszufragen: Warum bist du hier, was machst du hier...

Ich hatte so einen "interessanten Zwischenfall" bei meiner Untersuchung: nebenan waren viele Leute, die einen in Behandlung, die anderen in Untersuchungen, und alle fragten: Warum bist du hier, und wie überhaupt? Ich dachte: Okay, ich werde es ihnen sagen. Und dann fingen sie in der Kommission an mir vorzuwerfen, dass ich "allen von mir erzähle, dadurch auffallen will". Was für ein Blödsinn!

Oder noch ein weiterer interessanter Punkt: Als ich die Überweisung für die Hospitalisierung abholte, fingen sie an, mich zu fragen: Was machen Sie beruflich, welche Ausbildung haben Sie, wo arbeiten Sie? Ich erzählte ihnen, dass ich an der Warschauer Universität studiert habe und für eine internationale Organisation arbeite. Und ich erhielt so schockierte Blicke: "Welche Universität in Warschau? Sie waren schockiert und dachten, dass es wahrscheinlich meine Fantasie war. Für das System ist es überraschend, dass Menschen, die zur Kommission kommen, einen guten Job, eine gute Ausbildung haben können. Nach dem Motto, wenn ein Mensch gut ausgebildet ist und einen guten Job in einer internationalen Organisation hat, welche Probleme kann er dann haben. Sie glauben einem einfach nicht. Wenn eine Person irgendwie anders ist, wird von ihr sofort ein sozialer Tiefpunkt erwartet - sofort greift solch eine stereotype Bewertung. Und wenn ein Mensch wirklich nichts hat, fangen sie auch an, ihm Vorwürfe zu machen. Zum Beispiel, wenn man keinen Job hat, können sie einen überhaupt nicht zur Kommission zulassen, sie sagen: "Aber wie wollen Sie sich ohne Job integrieren? Es ist einfach nur absurd! Denn schließlich kann eine Person, die gerade den Zulassungsprozess der Kommission durchläuft, vorübergehend nicht arbeiten, weil sie darauf wartet, die Kommission zu überstehen, neue Dokumente zu bekommen und dann zur Arbeit zu gehen. Überhaupt all das - Arbeit, Bildung - so seltsame Kriterien...

In letzter Zeit schreiben uns immer wieder Leute von ihrer Verwirrung, die durch die Kommission gehen wollen. Es ist immer noch nicht klar, was die Pandemie für die Trans*Community ändern wird: wie das System während der Pandemie funktionieren, ob die Kommission tagen wird, wie man Spezialisten aufsucht, wohin man sich wenden kann...

Alisa: Im Allgemeinen funktioniert alles wie früher. Ärzte nehmen jetzt normal auf: sowohl der Sexologe (Podolyak) als auch der Psychologe (Ignatovich) arbeiten. Ja, es gibt einige kleine Unterbrechungen im Zeitplan, aber der Empfang läuft. Man kann zu ihnen gehen. Natürlich kann es in einer solchen Situation, wie jetzt, beängstigend sein, in Krankenhaus-Räumlichkeiten zu gehen. Aber die Tatsache bleibt, dass man zu ihnen gehen kann. Die Pandemie hatte bisher keinen Einfluss auf die Arbeit der Ärzte. Die nächste Kommission wäre Anfang Juni: Es ist noch nicht bekannt, ob sie wie geplant stattfinden wird oder auf einen anderen Termin verschoben wird, aber sie wird auf jeden Fall stattfinden. Jetzt geht es um den konkreten Zeitpunkt, nicht um die Absage.

Das Problem ist, dass in Belarus eine Menge Leute in der Kommission sitzen - das erschwert immer die Terminfindung. 10-15 Personen - und die müssen alle an einem Tag versammelt werden. Die Frage ist natürlich, warum es so viele Mitglieder in der Kommission gibt, warum Leute ohne Profilausbildung dabei sind... Zum Beispiel, die Vertreter des Ministeriums für Inneres: wir scherzen, dass da anscheinend diejenigen zur Kommission geschickt werden, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Denn die Person sitzt da und versteht überhaupt nicht, was um sie herum geschieht, ist einfach nur da, "damit alle da sind". Wenn die Kommission nur aus 5-7 Personen mit spezialisierter Ausbildung, Psychiatern, Psychologen und Sexologen bestünde, wäre es einfacher, sie zusammenzubringen, und einen Termin festzulegen. Die Optimierung der Zusammensetzung der Kommission ist einer der Schritte, für den die Trans*Community kämpfen muss.




Milana: Die Trans*Koalition hat nun zielgerichtete Hilfe im post-sowjetischem Raum aufgebaut. Wenn Sie eine Trans*Person sind und materielle, medizinische, rechtliche oder psychologische Unterstützung benötigen, können Sie Ihr Anliegen hinterlassen. Auch unsere Teams haben sich dieser Aktivität angeschlossen: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes werden die ersten Pakete mit Produkten an die Menschen geliefert worden sein, die sich aufgrund der Pandemie in einer schwierigen Situation befinden. Erzähl uns, bitte, wie diese Arbeit vorangeht und was "TG House" jetzt unternimmt. Auf welche Schwierigkeiten seid ihr bei der Bedarfsermittlung gestoßen?

Alisa: Wenn die Leute von dem gezielten Hilfsprogramm erfahren, schämen sie sich oft und weisen es zurück, indem sie sagen: "So schwer ist es für mich noch nicht, helft lieber jemandem, die in einer schlimmeren Lage ist, jemandem, der bedürftiger ist". Ich denke, dass gerade diese Form der Unterstützung - mit Lebensmitteln - die schwierigste für einen Menschen ist. Nahrungsmittel ist so ein Issue, als ob es besagt, dass man schon ganz unten ist... Selbst andere Formen der materiellen Hilfe, z.B. die Rückzahlung von Schulden für eine Wohnung, Telefon, einmalige Geldhilfen werden nicht so extrem wahrgenommen. Man denkt: wenn ich nach Lebensmitteln frage, dann bin ich schon "völlig am Ende", das ist so peinlich. Es ist eine schwierige Situation. Wichtig ist, dass, auch wenn diese Form nicht optimal ist, es jetzt nur diese Möglichkeit der Hilfeleistung gibt. Und sie ist auch notwendig.

Bis jetzt haben wir 22 Anfragen erhalten, aber leider haben 11 Personen überhaupt keinen Kontakt hinterlassen - nur die Bitte um Hilfe, meistens ging es um Hormone. Dabei ist zu beachten, dass wir neben der öffentlichen Bewerbung von Hilfeleistungen auch Menschen über persönliche Kontakte angeschrieben haben. Einige Leute haben eine Anfrage hinterlassen und es dann doch zurückgezogen... Aber die Situation der Menschen hat sich ja nicht verbessert.

Es ist sehr bezeichnend und betrifft nicht nur die Trans*Community, sondern die gesamte belarussische Gesellschaft: wir dulden alles, warten bis zum letzten Moment und verlassen uns nur auf uns selbst. Wir schämen uns, um Hilfe zu bitten. Manchmal glauben die Menschen einfach nicht, dass ihnen geholfen werden kann. Es gibt noch eine Sache: Angst, eine Anfrage zu hinterlassen, die eigenen Daten zu hinterlassen. Jemand wird mir Hilfe anbieten, jemand, dem ich meine Kontakte geben muss - das sind vollkommen nachvollziehbare Ängste in einer transfeindlichen Gesellschaft.

© Collage von Mila Vedrova / Das für die Collage verwendete Foto stammt aus Alisas Archiv


Deshalb ist die Community so wichtig: wenn wir unsere Erfahrungen austauschen, können wir uns gegenseitig von sicheren, bewährten Kontakten erzählen: von Hilfe, von Arbeit, von Ärzten. Bei der Arbeitssuche zum Beispiel spielt die Community eine sehr wichtige Rolle: Die Menschen können sich gegenseitig Tipps geben, von Alternativen erzählen... Wenn man viele Menschen um sich herum hat, hat man viele Möglichkeiten Hilfe zu bekommen. Dies ist besonders wertvoll, wenn es keinen gesetzlichen Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz gibt, wie in unserem Land.

Die Beschäftigungssituation ist ein ernsthaftes Problem für die Trans*Community, aber leider interessiert Diskriminierung in Zeiten einer weltweiten Pandemie kaum jemand...

Dennoch arbeitet unsere "TG House" Initiative mit diesen Themen. Wir können Menschen mit den rechtlichen Feinheiten und dem Schutz ihrer Rechte vor ihrem Arbeitgeber helfen. Beispielsweise wenn eine Person rechtswidrig gekündigt wurde und sie verdächtigt, dass es aufgrund von Transfeindlichkeit ist. Die Person möchte vielleicht nicht mehr an diesem Arbeitsplatz beschäftigt werden, aber sie hat laut Gesetz Anspruch auf Entschädigung. Man kann sich auch an uns wenden, wenn man noch studiert und es um Diskriminierung an der Universität oder Hochschule geht. Wir planen außerdem mit Sensibilisierung zu arbeiten - wir haben mehrere Fälle, in denen Menschen bereit sind ihre Geschichte zu erzählen. Die heutige Trans*Community braucht unbedingt positive Erfolgsgeschichten - die Menschen müssen sehen, dass es möglich ist, ihre Rechte in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz durchzusetzen.

Aber die wichtigste und realste Etappe unserer Arbeit ist heute die Lobbyarbeit für Veränderungen im System der Geschlechtseintragsänderung in Belarus. Bei all diesen problematischen Punkten geht es um die Arbeit der Kommission, um ihre Struktur, um die Verschreibung von HRT. Wir bereiten eine Liste von Änderungsvorschlägen und einen Appell an das Gesundheitsministerium vor. Hier nutzen wir internationale Erfahrung, die Erfahrungen anderer Organisationen. Tatsächlich wurde diese Verordnung seit ihrer Verabschiedung nicht geändert - es gab einige kosmetische Änderungen, aber global gesehen wurde sie nie geändert, obwohl die Probleme offensichtlich, leicht zu beschreiben und - was am wichtigsten ist - leicht zu erklären sind, wie und warum sie geändert werden muss. In naher Zukunft hoffen wir auch, eine regelmäßige psychologische Hilfe zu etablieren. Ich persönlich bin immer bereit, meine Erfahrungen mit der Suche nach medizinischer und psychologischer Hilfe zu teilen. Oft sehe ich, dass die Leute Angst haben, sich zu registrieren, Angst vor der Kommission haben, weil sie nicht wissen, was dort passieren wird, sie verstehen nicht, was sie erwartet. Ich versuche, in solchen Angelegenheiten zu helfen, beratende Unterstützung zu geben, wenn eine Person zur Arbeit der Kommission, zu jeglichen konkreten Dinge zu den Ärzten Fragen hat. Wenn es jemandem wichtig ist, persönlich mit einer Person zu sprechen, die all das durchgemacht hat, bin ich bereit, solche Fragen zu beantworten.

Wenn eine Transperson, die diesen Artikel gelesen hat, sich "TG House" anschließen möchte, bin ich nur froh: zu viele Helfende gibt es nie, jede einzelne Person, die bereit und in der Lage ist, sich zu beteiligen - mit ihrer Erfahrung, auch mit Ratschlägen - ist wichtig. Wir würden auch die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten, vor allem in Bezug auf Aufrufe und Briefe an die Behörden, begrüßen. Um Veränderungen zu erreichen, ist es wichtig, sich zusammenzuschließen - kollektive Aufrufe zu schreiben. Solange die Trans*Community unsichtbar ist, wird nichts passieren. In diesem Sinne ist die Kampagne von "Identity and Rights" zur Sammlung von Unterschriften für eine Petition ein sehr gutes Beispiel. Ich habe Natalia Mankovska 2010 bei der Schule für Menschenrechte in Vilnius kennengelernt, und heute kann ich sehen, welch großartigen Beitrag sie in der Advocacy-Arbeit und der Unterstützung der Trans*Community leistet.

Natürlich braucht die Community mehr als nur Lobbyarbeit - sie braucht informelle Treffen für Trans*Aktivisten und auch einfach für Trans*Menschen. Um sich einfach nur zu treffen, braucht es keine Ausgaben. Wir hatten zum Beispiel die Idee, einen Trans*Picknick zu veranstalten, also raus in die Natur zu fahren. Jetzt ist es natürlich vorerst aufgeschoben worden, aber wir werden definitiv darauf zurückkommen, wenn sich die epidemiologische Situation normalisiert hat. Informelle Kommunikation ist sehr wichtig, denn die Menschen werden sonst mit ihren Problemen allein gelassen. Es gibt im Moment nicht viele Leute in "TG House", aber jede "kämpft" für ihr eigenes Ziel. Zum Beispiel kämpft Vika, ein Mitglied der Initiative, seit langem für die Möglichkeit, die Identifikationsnummer von Trans*personen beim Wechsel der Dokumente zu ändern. Ein anderer Aktivist, Vlad, ist am meisten über den obligatorischen psychiatrischen Krankenhausaufenthalt besorgt, all seine Bemühungen richtet er darauf. Jeder beschäftigt sich mit etwas anderem, und es ist wirklich cool, mit Leuten zu arbeiten, die eine Sache haben, die ihnen am Herzen liegt. Wenn man sie alle zusammenbringt, jede mit ihrem eigenen persönlichen Problem, kann man an allen Fronten arbeiten.

Ich führe mir die Erfahrungen der Organisation "Our House", die die "TG House" Initiative unterstützt, insbesondere die Bewegung "Children 328" vor Augen. Vor ein paar Jahren schien es allen unmöglich, mit dieser Kampagne Ergebnisse zu erzielen: wie können wir diesen Kindern helfen, die wegen Drogendelikten verurteilt wurden. Was für eine Amnestie? Aber heute sehen wir, dass es Ergebnisse gibt, und sie sind beachtlich. Internationale Treffen, Vorbereitung von Berichten an die UNO, Treffen von Müttern mit Vertretern der Europäischen Kommission - das alles funktioniert. Selbst wenn man die "netten" Berichte betrachtet, die von unseren offiziellen Strukturen an die UNO geschickt werden - unser Land will keine Kritik von internationalen Institutionen, die Autoritäten sind nicht daran interessiert, sie horchen hin. Die Kampagne "Children 328" ist ein positives Beispiel, das inspiriert. Ohne solche Beispiele wäre es für mich entmutigend etwas zu tun: wenn man seine Energie in die Arbeit steckt, aber es keinen Effekt gibt, verliert man das Interesse, die Lust zu kämpfen geht verloren. Mütter, die kämpfen, sie haben diesen persönlichen Schmerz, aus ihrem eigenen Problem heraus stürmen sie sich auf all die Behörden. Ich möchte, dass Trans*Menschen anfangen zu glauben und sich an der Lösung ihrer Probleme beteiligen. Und dafür braucht die Community positive Beispiele, Aktivitäten, die sichtbar werden.